an der tagblattstrasse

1
Dez
2007

Dieser Geruch...

Freunde, ich bin auf der Suche nach einem Waschmittel, das wirklich weiss wäscht und auch noch gut riecht. Ja, ich weiss: Das Problem ist banal und wäre selbst auf einem Blog nicht erwähnenswert, wenn da nicht… aber lest selbst:

Bislang benutzte die Frogg für ihre Wäsche stets Skip Sunlight von Coop. Ein tiptopes Waschmittel. Nur hinterlässt es auf weissen T-Shirts in den Achselhöhlen mit der Zeit gelbliche Flecken. Unschön. Die Frogg hörte sich also nach etwas Besserem um. Den richtigen Tipp bekam sie von Mutter Frogg: „Nimm Copact Ariel. Das wäscht nicht nur weiss, es wäscht bei farbigen Kleidern die Farbe gleich mit weg.“ Was allerdings für die Frogg kein Problem darstellte. Schliesslich wollte sie mit Ariel nur ihre weissen T-Shirts waschen. Sie kaufte also eine Packung Ariel.

Doch nach dem ersten Gebrauch des neues Waschmittels war sie befremdet. Denn aus ihrer frisch gewaschenen Wäsche stieg ein Geruch hoch, dem sie sich nur höchst ungern aussetzt: der Geruch von Elend.

„Der Geruch von Elend? Wie willst Du wissen, wie Elend riecht?!“ höre ich Ulrike fragen. Lasst Euch gesagt sein: Ich weiss es. Ich weiss es, weil ich ein paar Jahre lang Redaktorin einer Lokalzeitung war. Damals begegnete ich dem Geruch von Elend alle paar Monate einmal. Verströmt von Personen, meist Männern, die eines Tages auf der Redaktion auftauchten und nullkommaplötzlich einen Journalisten zu sprechen wünschten. Sie brachten stets dicke Papierstösse mit und begannen, noch bevor sie sich gesetzt hatten, ohne Punkt und Komma zu reden. Sie redeten von einem Unrecht, das ihnen widerfahren war, oft in den Achtziger- oder Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Einem Unrecht, das stets neues Unrecht und wieder neues Unrecht nach sich gezogen hatte. Sie redeten darüber, dass sie arbeitslos, verarmt und von ihrer Ehefrau verlassen worden waren. Davon, dass sie ihre Kinder nicht mehr zu sehen bekamen. Der eine hauste in einer billigen Absteige und sagte, die Nutten dort wollten ihn vergiften. Der andere war überzeugt, dass gegen ihn immer noch eine Verschwörung gewisser alt-Regierungsräte im Gang war. Und dazu verströmten all diese Männer immer denselben Geruch: den Geruch abgestandener Aprilfrische, den leisen Geruch nie angezündeter Räucherstäbchen und den bittersüssen Geruch von Chemie. Den Geruch des Elends.

Journalistin Frogg las sich jeweils in ihre Aktenberge hinein. Hoffte, irgend etwas für sie tun zu können. Versuchte ernstlich zu prüfen, ob da irgend eine behördliche Schlamperei im Gange sei. Doch stiess sie bei ihren Nachforschungen stets auf dem Schweigen verpflichtete Staatsdiener. Bekam von Kollegen zu hören: „Oh, der Mann ist verrückt! Er war auch schon bei mir. Und er hat beim Amt für Sowieso längst Hausverbot, weil er die Leute dort ständig drangsaliert.“ Selbst die Anwälte der Elenden (ja, die Elenden in diesem Land haben wenigstens Anwälte), sagten jeweils: „Bringen Sie nichts davon an die Öffentlichkeit! Sie schadem meinem Mandanten damit nur!“

So liess Journalistin Frogg den jeweiligen Elenden jeweils fallen. Entschied, sein Fall sei nicht von öffentlicher Relevanz, weil ein Einzelfall. Sie tat es stets im Einverständnis mit ihren Redaktionskollegen.

Dennoch denkt sie hie und da an einen von ihnen. Hofft, dass er Gerechtigkeit gefunden hat, oder wenigstens Ruhe. Dass er nach Frische und Wohlstand riecht. Aber sie denkt ungern an ihn, mit einer Mischung aus Verunsicherung („war er wirklich einfach und von sich aus verrückt? Oder hat der Amtsschimmel ihn mit seinem Wiehern verrückt gemacht?) und Ärger über die verlorene Zeit.

Dank Compact Ariel trage ich die Erinnerung an die Elenden jetzt auf dem Leib. Versteht Ihr jetzt, dass es mich drängt, darüber zu schreiben?

19
Mai
2007

Alle suchen Madeleine

Der Fall der verschwundenen Vierjährigen Madeleine bewegt in Europa sämtliche Boulevard-Medien und Millionen von Menschen. Warum ist das so?

Nun, ich muss gestehen: Die Sache bewegt mich auch. Ich habe Bilder vom Gesicht dieser Mutter gesehen, von diesem schönen, gezeichneten Gesicht, und mir überlegt: Würde ich mir je verzeihen, wenn meinem Kind so etwas passieren würde? Ich meine: Frau wird sich in einer solchen Lebenslage 1000 Mal gut zureden, sie könne doch nichts dafür, dass ausgerechnet ihr Kind verschwunden ist. Aber fühlt sie sich nicht doch immer schuldig?

Aber das ist natürlich nur ein Aspekt. Ich glaube zudem, wir befinden uns hier in den frühen Phasen einer Geschichte, die das Zeug zu einer grossen Tragödie hat. Da fahren durchaus durchschnittliche Eltern mit ihren Kindern in die Ferien. An die Sonne, in den Süden. Hier machen sie ihren einen, klitzekleinen Fehler: Sie lassen ihre Kinder für die Dauer eines Nachtessens allein. Ich meine, eigentlich ist das gar kein richtiger Fehler: Welche Eltern würden ihre Kinder nicht für ein Weilchen allein lassen, wenn das schon geht? Aber genau in dieser Zeit passiert das Furchtbare, und schon kippt alles vom Guten ins Böse.

Wenn das nicht Furcht und Mitleid erregt!

Ich glaube, sogar Aristoteles fände so eine Ausgangslage bewegend. Und damit komme ich zu einer für mich ganz neuen These: Nicht alles, was der Boulevard bringt, ist Mist. Mehr dazu ein andermal.

Für Madeleine hoffen wir, dass sie aus der Tragödie ausbricht und demnächst wohlbehalten nach Hause kommt.

27
Aug
2005

Trauer um eine Strasse

Vor zwei Tagen empfand ich erstmals so etwas wie Bestürzung angesichts unserer so genannten Hochwasserkatastrophe. Er kam, als ich Bilder der Strasse bei Werthenstein sah. Werthenstein an der Kleinen Emme. Die Emme hat dort kurz vor dem Dorf ein Loch in die Strasse gerissen. Jetzt ist da, wo da Strasse sein sollte, einfach nichts. Nichts, gesäumt von viel Dreck, ein paar ausgefransten Strassenenden und einer gurgelnden, Flussbrühe.

Die Strasse von Werthenstein kenne ich, seit ich ein Kind bin. Wenn wir Vater Froggs Familie besuchten, dann fuhren wir dieser Strasse entlang. Als ich vor drei Jahren Auto fahren lernte und meine ersten Fahrstunden mit Vater Frogg hatte, sagte er: «Fahr zu Familie Frogg!» Und wir fuhren über Werthenstein und dort brachte Vater Frogg mir bei, wie man richtig Kurven fährt.

Ich war traurig, weil die Kleine Emme ein Loch in MEINE Strasse gerissen hat.

22
Aug
2005

Hochwassersirenen

Sie weckten mich so um 2 Uhr morgens. Erst träumte ich von einer Platte, die einen Sprung hatte, einer Sängerin, die immer die gleiche Tonfolge leierte. Dann wachte ich auf und hörte, was die Tonfolge wirklich war: eine Sirene, auf und ab, auf und ab. Hochwasser? dachte ich. Dann hörten sie auf und ich schlief weiter. Jetzt weiss ich: Es waren die Hochwassersirenen von Emmen.

Am Morgen weitere Sirenen. Die Feuerwehr. Die Polizei. Ambulanzen.

Stau am Sedel.

Krisensitzung im Büro.

19
Feb
2005

Fehlerteufel

Gestern habe ich beim Zeitung machen einen Fehler gemacht. Einen dieser Fehler, der einem am nächsten Morgen beim Zeitung lesen als erstes in die Augen sticht: Ich habe Marla Glen mit 2 «n» geschrieben. In einer Bildlegende. Man schreibt Marla Glen mit einem «n», so wie's im Text neben der Bildlegende steht.

Das ist etwas vom Schlimmsten, was einem beim Zeitung machen passieren kann. Das ist einer der Fehler, bei denen man denkt: «Oh nein, Scheisse! 10 Stunden Arbeit vergeben!»

Der Leser sieht ja nie, was man alles richtig macht auf so einer Zeitungsseite. Dem Leser stechen immer nur die Fehler ins Auge. Und zwar nur die banalen Fehler. Ich meine, denken kann einer, was er will, und wenn es noch so blöd ist. Aber wenn er einen Namen falsch schreibt in einer Bildlegende, das ist furchtbar. Steinigenswert. Verdammenswert.

Man möchte sich zur Strafe in den eigenen Hintern beissen vor Ärger. Nachdem man dreimal den Oberkörper um die eigene Achse gedreht hat, ohne dabei die Beine zu bewegen.

Man möchte im Versandhandel ein neues Hirn bestellen. Eines dieser ordentlichen, wohl organisierten Hirne, die funktionieren wie die Hirne einer Rechenmaschine.

Warum bin ich mit so einem fransigen Hirn geboren?

30
Jan
2005

An die Nachwelt

In den achtziger Jahren sagten die Politiker: «Wir wollen unseren Kindern eine intakte Umwelt hinterlassen. Aber das zu sagen, ist inzwischen aus der Mode gekommen.

Heute sagen die Politiker: «Wir wollen unseren Kindern einen schuldenfreien Staat hinterlassen.» Aber dass sie das gesagt haben, vergessen sie ja heute schon immer mal wieder.

Unsere Kinder können sich freuen.

26
Jan
2005

Bitte verbieten!

Wenn ich noch einmal den Ausdruck weisse Pracht in einer Zeitung lesen muss, fange ich an zu schreien! Bitte auf den Index setzen!

15
Dez
2004

Angst vor Virginia Woolf?

Als Orlando ein reicher, junger Edelmann war, lud er einmal einen Dichter zu sich ein. Der Poet beschwatzte Orlando so lange, bis dieser ihm eine Pension von 300 Pfund pro Jahr versprach (viel Geld war das damals). Wieder zu Hause angekommen, schrieb der Dichter unverzüglich eine beissende Satire über seinen Besuch bei einem reichen, jungen Landadligen, unschwer als Orlando zu erkennen. Orlando war zutiefst gekränkt.

«Nevertheless, he paid the pension quarterly», schreibt Virginia Woolf.

Woraus sich schliessen lässt, dass Peter Bieri kein Englischer Gentleman ist.

17
Nov
2004

Bittebitte gebt diesem armen Knochengerüst...

... den Speck der Poesie. Heute früh ertappte ich mein Alter Ego, die Frogg, dabei, wie sie das Bild von Condoleezza Rice anschaute, als wäre die eine alte Bekannte. «Das kanns ja wohl nicht sein!» sage ich streng.

«Ich weiss!» ruft Philemon. «Aber die Arbeit ist Schuld.» Im Büro schieben wir gerade wieder Neun- und Zehnstundentage in Serie. Das Frogg'sche Tagwerk:

7.30 Uhr: Tiger küssen, aufstehen, frühstücken, Zeitung lesen
8.45: Computer im Büro einschalten
12.05: Mittagessen
13.00: weiter arbeiten
Zwischen 19.30 und 20.30: Computer im Büro ausschalten, nach Hause gehen, ins Sofa sinken, Süppchen essen, fernsehen
23.30 Uhr: Tiger küssen, schlafen gehen

An freien Tagen (heute) machen wir nebenbei ein paar Stunden lang die Dinge fürs Büro, die richtig Spass machen.

Ja, ja, der Job ist ok. Die neuen Kollegen haben mit den kleinen Unberechenbarkeiten der Frogg rechnen gelernt. Ich meinerseits habe die neuen Kollegen manipulieren gelernt – falls nötig. Jetzt sind die Arbeitstage im Schnitt eine Stunde kürzer als vor einem Jahr. Die guten Momente sind, weiss Gott, häufiger geworden. Und ich weiss: Es gibt Tausende von Jobs, bei deren es gar nichts gibt, was wirklich Spass macht.

Aber die Frogg jammert weiter. Ihr fehlt der Speck der Poesie. Vor lauter Hunger ist ihr Gedankenleib zu einem dürren Knochenhaufen abgemagert: Einst hat sie darauf verzichtet, Bibliothekarin zu werden. Weil sie nicht in einer Welt leben wollte, die auf einer Karteikarte Platz hat. Jetzt endet ihr Horizont bei der weissen Linie eines Parkplatzes (gebührenpflichtig – das angesagte Fröscher Lokalthema). Sie lebt in einer Welt der Bildschirme und der Papierhaufen. Vom Anblick des Fröscher Stadtlogos kriegt sie Kopfschmerzen, und ja, eben, Condoleezza Rice...

Neulich, ja neulich war es anders. Da fuhr sie nachts allein über Land, das Autoradio lief, ein Song namens «Electric Snowdrops», überirdisch, kühl und licht und das zarte, hohe Klingeln der Töne fütterte auch das linke Ohr der Frogg. Momente wie auf einer winterlichen Mondreise.

Aber das ist schon wieder eine Weile her.

Nun ja. Ich habe frei. Jetzt setze ich diesen Eintrag online. Dann suche ich hier noch ein bisschen Futter für die Frogg! Vielleicht werde ich ja fündig.

12
Nov
2004

Yassir Arafat und das Unwort des Jahres 2004

P. S: Fast hätte ich neulich unbedacht geschrieben: Yassir Arafat ist die Ikone des Nahost-Konflikts. Auf Wikipedia fand ich sogar eine annähernd brauchbare Definition des Begriffs Ikone. Ein Blick auf Google belehrte mich aber auch darüber, dass Adolf Hitler die Pop-Ikone gewisser Kreise sei; dass Udo Jürgens eine Ikone der Unterhaltungsmusik ist und Helmut Kohl eine Werbe-Ikone für Frankreichs Gay-Channel.

Mittlerweile scheint mir der Begriff «Ikone» in so inflationärem medialem Gebrauch, dass ich geneigt bin, ihn zum Frogg'schen Unwort des Jahres 2004 zu erklären.

Weitere Frogg'sche Unwörter gefällig?
Das Frogg'sche Unwort 2003: Kompetenzzentrum
Das Frogg'sche Unwort des Jahres 2002: sparen
Das Frogg'sche Unwort des Jahres 2001: sparen
Das Frogg'sche Unwort des Jahres 2000: sparen
Das Frogg'sche Unwort 1999: nachhaltig
Das Frogg'sche Unwort 1997: niederschwellig

Ihr seht schon: Die öffentlichen Diskussionen der letzten paar Jahre scheinen mir etwas eintönig. Höchste Zeit wenigstes für ein neues Unwort.
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