an der tagblattstrasse

5
Nov
2008

Achtung, Köpfe runter!

Aha. Es ist soweit. Die Neue Zürcher Zeitung baut Stellen ab. Sie reagiert damit als erstes Medenunternehmen auf die Krise. Andere werden folgen, da bin ich sicher.

Im Westen nichts Neues also. Die Medienbranche verhält sich diesmal genau gleich wie die letzten drei oder vier Male in den letzten 10 oder 15 Jahren: Und wir Angestellten halten die Köpfe runter, malochen und sind froh, dass wir einen Job haben.

Irgendwie hatte die Frogg sich das anders vorgestellt, als sie im Januar ins Schneetreiben starrte und wusste, dass die Krise kommen würde. Irgendwie hatte sie mit einem plötzlichen Bruch gerechnet. Mit einem sinkenden Gefühl in der Magengrube. Mit einer grossen Leere und dann damit, dass für einmal alles anders sein würde. Für alle. Hart, aber aufregend. Dass sich plötzlich neue Perspektiven auftäten. Dass sie plötzlich auf eine ganz neue Art gebraucht würde.

Aber das war wohl bloss der Optimismus, die vor dem quälenden déja-vu schützt.

Es wird alles wie gehabt.

Und das Traurigste daran ist: Vielleicht ist es sogar besser so.

17
Okt
2008

Wort des Tages

Also, eigentlich ist es eher das Wort des Tages von gestern: Negativer Liquiditätszufluss.

Aber ich bringe es jetzt trotzdem noch, weil ich mich sehr darüber vergnügt habe.

Kollege Unruh, der sich in der Bankenwelt auskennt, hat es mir beigebracht, als wir über den News des gestrigen Tages brüteten. Die Wendung klingt so schön harmlos. Als sei da nur mal eben ein bisschen weniger Geld zusammengeflossen als üblich. Aber deutsch und deutlich heisst sie: Da haben Ströme von Kunden ihr Geld aus der Bank geschwemmt. 87 Milliarden Franken in einem konkreten Fall, der uns hierzulande gestern den Schreck in die Knochen gejagt hat.

Aus Buchhalter-Jargon lassen sich ja wunderbare Euphemismen basteln!

11
Okt
2008

Astronomisch

Man kann der Finanzkrise auch Positives abgewinnen. Die Frogg zum Beispiel erweitert dieser Tage ihren Horizont in der Welt der Zahlen. Bislang reichte ihr geistiges Fassungsvermögen gerade mal für eine Million
(1 000 000). Von da an aufwärts wirds ja mit den Nullen allmählich unübersichtlich. "Mehr musst Du gar nicht wissen", sagte sie sich in jungen Jahren und damit basta.

Aber jetzt, mit der Finanzkrise, lernt die Frogg verwundert neue Zahlen. Und Dinge wie:

1 englische Billion ist 1 deutsche Milliarde (1 000 000 000).
1 deutsche Billion ist 1 englische Trillion (1 000 000 000 000).

Sowas muss sie jetzt wissen, weil es bei der Bearbeitung von Agenturtexten zum Stolperstein werden kann.

Frage an Schülerin Frogg: "Wie viel sind 1000 Milliarden Dollar?" So viel haben die Wertpapierabschreibungen weltweit laut TagesAnzeiger von heute bislang gekostet.

"1000 Milliarden Dollar???" Die Frogg denkt nach, vor ihrem geistigen Auge tanzen die Nullen.

"Eine Billion Dollar", sagt sie schliesslich. Und dann, als die Nullen nochmals ein Weilchen getanzt sind: "Oder 1,1 Billionen Franken. Hmmm. Im allgemeinen nimmt man an, dass die gesamten Lohnkosten für eine Schweizer Durchschnitts-Arbeitskraft etwa 100 000 Franken jährlich betragen. Mit so viel Geld könnte man also 11 Millionen Schweizer Arbeitskräfte ein Jahr lang bezahlen. Oder jetzt eben nicht mehr... Das ist ja unglaublich...!"

30
Sep
2008

A very strange moment

Heute Abend kam ich früh von der Arbeit nach Hause. Ich hängte Wäsche auf und ass etwas. Ich sah mir die "Tagesschau" und dann "Desperate Housewives" an. Dann zahlte ich meine Miete und Krankenkasse.

Kurz nach 21 Uhr rief ich English an. English ist mein Kumpel in Frankfurt. Es war an der Zeit, wieder mal zu fragen, wie es ihm geht. English ist reich. Sehr reich. Er hat viel Geld an der Börse.

Als er sich meldete, hörte ich im Hintergrund seinen Fernseher, ungwöhnlich laut. "You're calling at a very strange moment", sagte er und klang dabei, als starre er in einen schwindelerregenden Abgrund. "The New York Stock Exchange ist collapsing."

"Na, das ist ja nichts Neues!" sage ich, "Die New Yorker Börse stürzt doch in letzter Zeit ständig ab."

"Yes. But this time it's serious", sagt er. Eben hätte das amerikanische Parlament das Rettungspaket abgelehnt. Das sei gar nicht gut, sagte er, immer noch in diesem fassungslosen Ton. "They might destroy themselves."

Dann musste er zu telefonieren aufhören, denn es klingelte an seiner Tür.

Einen Moment lang stand ich da, mit dem Hörer in der Hand und dachte so etwas wie: "Ist das jetzt der letzte normale Abend unseresLebens?"

Dann widerstand ich der Versuchung, mich vor den Fernseher zu setzen. Ich rief statt dessen Helga an. Wir machten uns einen sehr normalen Abend.

26
Sep
2008

Tobsüchtig

Na gut. Zur Prokrastination zu neigen, ist das eine. Was aber tut man, wenn man zu Tobsuchtsanfällen neigt? Ich meine: zu berechtigten Tobsuchtsanfällen. Zu Anfällen aber, mit denen man sich in dem Moment, in dem man sie hat, eigentlich nur schaden kann.

30
Mai
2008

Die Welt spinnt

Die Natur spielt verrückt. Da wird China überflutet und dazu das halbe Piemont und die Rhone droht auch über die Ufer zu treten. "Und bei uns ist es furztrocken", sagt Gärtner Friederich. "Man muss 10 Zentimeter tief in den Boden graben, bis man einen Tropfen Feuchtigkeit findet. Dabei leben wir doch eigentlich in einem richtigen Regenloch."

Nicht, dass wir Menschen es mit der Verteilung der Ressourcen besser im Griff hätten. In Haiti essen die Leute Guetzli aus Lehm, weil das Mehl zu teuer geworden ist. Und hierzulande schütten die Bauern Milch in die Reuss, weil sie dafür höhere Preise wollen.

Bringt das noch irgendwer in seinen Kopf hinein?

25
Mai
2008

Duft des Orients

In letzter Zeit kaufe ich wieder öfter beim Türken an der Tagblattstrasse ein. Das hat verschiedene Gründe:

1) Der Türke führt den ehemaligen Tante-Emma-Laden neben unserem Geschäft. Er läuft nicht gerade blendend. Mir aber ist es ein Anliegen, dass der Laden erhalten bleibt, damit ich für den Kauf meiner Reiswaffeln und Dörrfrüchte nicht einen zehnminütigen Fussmarsch unternehmen muss.

2) Der Ladeninhaber (nennen wir ihn Onkel Erkan) hat mir bereits ein türkisches Wort beigebracht: "teşekkür" (danke). Ich spekuliere darauf, dass ich noch mehr Chancen bekomme, ihm ein paar Türkisch-Vokabeln zu entlocken, bevor wir nach Istanbul fliegen.

3) Das Sortiment von Onkel Erkan unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht wohltuend vom immergleichen Angebot von Coop und Migros. Es gibt dort zum Beispiel das hier:

(Quelle: www.yiyelim.com)

Überhaupt stehen Linsen und Kichererbsen bei Onkel Erkan hoch im Kurs. Zudem hat er Honig der Marke Buram, und die Rosinen sind von "Le Dragon". Neulich bekam ich dort sogar den Kreuzkümmel, den ich in unserem Quartiercööpli vergebens gesucht hatte (das Datum auf dem Glas ist zwar bald abgelaufen, macht aber nichts). Und manchmal hat Onkel Erkan plötzlich ein ganzes Gestell voller Shampoos der Marke Regina Hair fit (Made in Germany) zu einem absoluten Schnäppchenpreis von Franken 2.15 oder so. Oder ein Palett voller in eine zwei dicke Plastikplanen eingeschlagenes WC-Papier, ebenfalls zu einem Schnäppchenpreis.

WC-Papier brauchte ich am Freitag und griff beherzt unter die obere Plastikplane, um mir eine Zehnerpackung zu verschaffen. Schon als ich noch griff, säuselte mir ein leiser Duft entgegen, süsslich, nach Räucherstäbchen oder so. "Das muss dieser blöde Plastik sein", sagte sich die Frogg unbesorgt, ging zur Kasse, zahlte und begab sich ins Büro, wo sie ihre Käufe unter dem Schreibtisch verstaute. Man will ja nicht, dass die Kollegen sehen, dass man WC-Papier gekauft hat.

Es war ein warmer Tag, fast sommerlich, und plötzliche wehten ganze Schwaden dieses süsslichen Geruchs unter meinem Schreibtisch hervor. Sandelholz? Rosenwasser? Yasmin? Alles zusammen? Ich weiss es nicht. Ich weiss nur: Die Computer im Büro surrten, die Luft um uns wurde immer wärmer und feuchter, der exotische Geruch immer dicker. Kollege Pokerface und ich, zu zweit im Büro, wähnten uns im Hamam, und ich bekam nur schon von dem seltsamen Duft Juckreiz wie von einer alten Wolldecke. Bald konnte ich mich nicht mehr selber betrügen: Der Duft strömte zweifelsfrei aus dem Toilettenpapier unter meinem Schreibtisch.

Ich studierte das Paket und stellte fest: Es war in einer slawischen Sprache beschriftet. Und: Das Papier war eindeutig die Quelle des orientalischen Duftes. "Was soll ich jetzt damit machen?!" seufzte die Frogg, keine Freundin parfümierten Toilettenpapiers und allergischen Reizen gegenüber ausgesprochen sensibel. Nun, es war ganz einfach: Ich vergass das Paket nach einem turbulenten Freitagabend im Büro.

Mein armer Kollege Bartholomäus hat Sonntagsdienst an meinem Schreibtisch und wird nicht wissen, wie ihm geschieht!

11
Mai
2008

Burma

Noch nie habe ich von einer Regierung gehört, die offenbar so viel Menschenverachtung, Verblendung und galoppierende Inkompetenz in so kurzer Zeit an den Tag legt! Es ist himmeltraurig.

26
Apr
2008

Coop senkt Preis für Reis

Da erzählen uns doch sämtliche Medien, dass Migros den Preis für Reis erhöht. Wegen Reisknappheit auf dem Weltmarkt. Und die Medien berichten darüber in einer Länge und Breite, die fürchten lässt, dass sich die Ärmsten der Schweiz bald keins mehr leisten können.

Aber so schlimm kann es um die Reisvorräte der Welt nicht bestellt sein. Bei Coop jedenfalls ist alles anders: Dort ist Reis im Moment für 10 bis 20 Prozent Preisabschlag zu haben (jedenfalls in der Filiale, in der ich einkaufe, im Coopcenter am Löwenplatz, Luzern). Allerdings habe offenbar nicht nur ich bemerkt, dass das ein bisschen aussergewöhnlich ist. Ich habe jedenfalls noch nie so leergefegte Gestelle* gesehen!

Dennoch beruhigte mich dieser Schachzug von Coop. Ich hatte mir nämlich schon Sorgen gemacht. Ich meine: Wir Westler kennen den Hunger ja zum Glück nur als jenen lästigen Kerl, der jeweils unserer Diätbemühungen sabotiert. Deshalb erstaunt es mich umso mehr, dass derzeit so viel über die Lebensmittelkrise geredet wird. Zum Beispiel wegen ein paar Rappen Preisaufschlag! Nagt an uns Westlern eben doch noch ganz leise die Furcht, wir könnten eines Tages verhungern? Oder haben wir einen echten Grund, uns Sorgen zu machen?

Erst lachte die Frogg ja über die Frage. Aber dann las sie die Beteuerungen von Migros-Sprecherin Monika Weibel: Die Migros-Reislager seien noch bis im Herbst gefüllt: «Es gibt keine Engpässe bei keiner Sorte», versicherte Weibel. Also, wenn Mediensprecher zu "versichern" beginnen, dann bimmeln bei der Frogg immer die Alarmglocken.

Da tut es gut zu merken, dass Coop und Migros noch Konkurrenz spielen. So lange sie das tun, muss die Welt in Ordnung sein.


*Doch, einmal, anno 1990, unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Golfkriegs. Damals glaubten ja vor allem ältere Leute, Saddams Helikopter würden demnächst vor dem Bundeshaus landen. Sie hamsterten deshalb Lebensmittel. Die Folge: In vielen Läden gabs nur noch Basmatireis, denn den kannten die älteren Leute nicht.

6
Dez
2007

Rouge

Für unser jährliches Abteilungsfoto haben wir uns für einmal in Schale geworfen. Wir machen uns einen Spass draus, so auszusehen:


(Bild geklaut von www.stadtwanderer.net)

Wie die acht Aufrechten im Bundesrat. Schliesslich sind wir die Nachrichtenredaktion. Einige von uns haben sogar ab und an mit Bundesräten zu tun.
Ich absolviere für das Bild die ganze Schmink-Ochsentour: Eyeliner, Mascara, Lippenstsift und als krönender Abschluss ein Hauch Rouge auf jede Wange.
"Ui, jetzt siehst Du aber wirklich ein bisschen aus wie Frau Leuthard!*“ sagt Praktikantin Lea.

Als wir das Bild gemacht haben, gehe ich nach Hause. Beim Kindergarten an der Tagblattstrasse taucht plötzlich ein Bub neben mir auf und sagt: „Bist Du ein Clown?“
„Nein, wieso?“ frage ich.
„Weil Du rote Farbe im Gesicht hast!“


*Für Nichtschweizer: Doris Leuthard ist ganz links im Bild.
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