18
Feb
2012

Wie meine Stimme klingt

Wenn morgens erwache, sage ich in diesen Tagen als erstes laut und deutlich: "Hallo?! Hallo?!" zu mir selber. Das tue ich, um in Erfahrung zu bringen, wie gut ich meine eigene Stimme höre. Heute Morgen musste ich wirklich sehr laut zu mir sprechen, sonst hätte ich mich selber nicht verstanden. Gestern Morgen hörte ich mich gut, und ich klang genau wie früher. An allen anderen Tagen war meine Stimme entweder blechern, dünn, merkwürdig hoch oder tief. Will heissen: Mein Hörvermögen schwankt täglich - und zwar erheblich.

So ist es, die Menière'sche Krankheit auf beiden Ohren zu haben.

Am Montag konnte ich im Büro nicht mehr telefonieren. Dazu muss ich anmerken, dass ich in einem Beruf arbeite, in dem man unglaublich viel telefoniert.

Das alles ist nervlich ungeheuer belastend. Man kann Hörenden kaum erklären, warum. Aber ich muss gestehen: Ich bin in diesen Tagen meist reizbar und panisch. Ausser, wenn ich gerade mal richtig gut höre. Dann bin ich plötzlich auch richtig gut aufgelegt, ein anderer Mensch.

Aber heute ist ein schlechter Tag. Am Morgen ging ich unsere mit Neo-Pflastersteinen belegte Quartierstrasse zum Cööpli hinunter. Hinter mir ein holpriges Geräusch. "Oh, da ist jemand mit dem Postiwägeli* unterwegs - und ziemlich schnell!", denke ich und drehe mich um. Aber da ist kein Postiwägeli, sondern ein ausgewachsenes Auto. Und es will an mir vorbei.

Vielleicht werde ich solche Szenen eines Tages amüsant finden. Im Moment finde ich das alles einfach nur furchtbar.

Und in meinem rechten Ohr spielt ein wahnsinnig gewordener Keyboarder den ganzen Tag das gleiche Riff. Ich würde gern ein YouTube-Video von ihm machen.

*Kleiner Wagen zum Einkaufen - mit Rädchen.

15
Feb
2012

Auf dem gefrorenen See


Frau Frogg blickt in die unergründlichen Tiefen unter ihren Füssen, Bild: Herr T.

Es ist eine Sensation: Der Rotsee ist so dick zugefroren, dass man darauf gehen kann. Die Stadtbehörden konnten nicht mehr anders: Sie haben ihn zur Begehung freigegeben. Auch in früheren Wintern waren zu kalten Zeiten schon mal Eisläufer auf dem See zu beobachten. Aber die taten etwas Verbotenes. Diesmal jedoch dürfen sich auch gehorsame Naturen getrost hinauswagen.

Mehr dazu beim kulturflaneur.

Wer noch erleben will, wie es ist, auf festem Wasser zu gehen, muss sich beeilen. Tauwetter hat eingesetzt. Schon liegen kleine Pfützen auf dem Eis.

12
Feb
2012

Das Erdbeben

"Mann, gab das gestern Nacht plötzlich einen Knall!" sagte Herr T. beim Frühstück zu mir.
"Knall?" frage ich. Ich hatte keinen Knall gehört. Aber das hat nichts zu bedeuten. Ich bin immer noch leicht schwerhörig und trage nachts Ohropax (merkwürdigerweise höre ich damit meinen eigenen Tinnitus weniger gut).
Aber dann erinnere ich mich: Kurz vor Mitternacht war ich aus dem Schlaf geschreckt, weil mein Bett sich schüttelte. "Das muss ein Erdbeben gewesen sein", dachte ich benommen. "Oder ich hatte einen Schwindelanfall." Ich tippte auf ein Erdbeben, blieb aber vollkommen ruhig. Ein Schwindelanfall von dieser Beschaffenheit hätte mich viel mehr irritiert. Als Menière-Patientin hat man merkwürdige Prioritäten.

Und tatsächlich: Es war ein Erdbeben, Stärke 4,2. Das Epizentrum lag zwischen Zürich und Zug. Aber wir haben es in Luzern gut gespürt.

11
Feb
2012

Wie werde ich schwerhörig?

"Sie lassen mich also jetzt mit einer mittelgradigen Schwerhörigkeit auf die Menschheit los?" frage ich den Arzt im Spital vor der letzten Cortison-Spritze. Es ist zum Glück der Arzt, den ich mag. Aber auf diese Frage kann auch er nur nicken.

Ich bin fassungslos, denn es stand ein paar Tage lang wirklich schlimm um mich. Wenn jemand mit mir sprechen wollte, musste er mich anschauen und deutlich artikulieren. Er durfte die Hände nicht vor den Mund halten, und mit mehreren Leuten und Umgebungslärm war ich verloren.

Das finde ich peinlich und demütigend, aber ich musste einsehen: Ich weiss nicht, wann es besser wird. Ich muss mich damit abfinden. Ich muss lernen, schwerhörig zu sein.

Nur gibt es dafür keine Schulen, es gibt darüber keine Bücher und Zeitschriften. Nicht einmal in der Hals,- Nasen-, Ohren-Klinik unseres Kantonsspital kann Dir jemand beibringen, wie man als Schwerhörige im Alltag funktioniert. Dabei müssen die doch alle Nasenlang Leute hereinbekommen, die sie nicht mehr hörend machen können! Aber es gibt dort nichts! Nicht mal einen Flyer mit Adressen für Beratungsstellen!

Zum Glück habe ich wenigstens selber herausgefunden, wie ich mein Telefon im Büro auf volle Lautstärke stellen kann. Und zum Glück gibt es Susanne und Herrn notquitelikebeethoven.

Aber mein erster schwerhöriger Mittag in der Cafeteria mit Kollegen war ein einziges kommunikatives Desaster.

8
Feb
2012

Diese Wut

Noch immer höre ich sehr schlecht. Im Spital verabreichen sie mir Cortison-Spritzen - von denen ich ziemlich genau weiss, dass sie nichts nützen. Ich weiss, was nützen würde: Ruhe. Aber das wollen sie mir nicht geben.

So arbeite ich wie verrückt und bin wütend. Wütend auf die Ärztin im Spital, die ich für unfähig halte. Wütend über das Affentheater im Büro. Wütend auf... eigentlich auf alles und jedes.

Manchmal bekommen die falschen Leute etwas von meiner Wut ab.
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