27
Dez
2010

Kleine Sünden

Auch bei mir haben die Feiertage auf die Waage geschlagen. "Heute gibts keine Schokolade nach dem Mittagessen", sagt sich Frau Frogg streng. Auf dem Weg zur Arbeit schwenke ich in den Coop, um Obst zu kaufen. Dort sehe ich ein Körbchen Litschi für sagenhafte Fr. 2.70.

Ich greife zu, denn ich liebe Litschi. Alles an ihnen. Auch ihre Schale, die aussen so bräunlich und höckrig ist. Zieht man sie ab, so offenbart sie ihre seidig glänzende Innenseite. Zartrosa. Wenn ich Litschis schäle, muss ich immer an eine erotische Szene mit knistriger Unterwäsche denken.

Erst nach der Kasse erlaube ich mir, es zu sehen: Die Früchte sind aus Madagaskar.

Normalerweise kauft Frau Frogg nur Lebensmittel aus der Schweiz oder wenigstens aus Europa - naja, ausser der einen oder anderen Banane und dem Kaffee natürlich. "Dafür gibts heute keine Schokolade!" bekräftigt Frau Frogg.

Aber sie hat die Rechnung ohne die Lage im Büro gemacht. Hier ist über die Feiertage die Heizung ausgefallen. Am Mittag in der Cafeteria isst Kollege Fröhlich mit dem Schal. Kollege Barbarossa hat sich die Winterjacke übergezogen. Es sieht aus wie in Russland. Dort werden viele öffentliche Gebäude nicht geheizt. In Altersheimen tendiert die Temperatur im Winter oft gegen Null. Die Bewohner sitzen im Wintermantel im Aufenthaltsraum und stossen beim Reden weisse Wolken aus.

Ich habe schon zweieinhalb Stunden gefroren. Jetzt schreit jede Faser meines Körpers nach Kohlehydraten. Als Barbarossa herzhaft in einen Torino-Stängel beisst, kann ich nicht mehr an mich halten. Ich hole mir auch einen aus dem Automaten. Man muss zu diesen Schoggistängeln anmerken: Das sind massive Dinger. Nicht umsonst heisst Schokolade in dieser Grösse und Form hierzulande "es Branchli" - von Französisch: "la branche", der Ast. Wobei die helvetische Verkleinerungsform nur ein Eindeutschungs-Zeichen ist. Man könnte jemanden erschlagen mit so einem Torino-Branchli. So eins esse ich.

Später am Nachmittag sitze ich dann im Büro und schäle sorgsam ein paar Litschi-Früchte. Ich frage mich, ob es meinen CO2-Fussabdruck vergrössert, dass ich sie gekauft habe. Und ob es furchtbar verwerflich wäre, am Feierabend zu Hause auch noch ein heisses Bad zu nehmen.

24
Dez
2010

Song des Tages

Ich hätte ja so viel zu erzählen. Ein ganzes Epos könnte ich über meine dreitägige Deutschland-Reise schreiben!

Ausserdem hat der heutige "Tagesanzeiger" mir das Thema "Drei Nüsse für Aschenbrödel" schon vorweg genommen - auf der Front! Aber hier herrscht vorweihnachtliche Hektik (mitsamt den saison-üblichen Streitigkeiten). Also: Hört hier kurz rein! Es ist die tschechische Original-Version.

Und, nicht vergessen: Euch allen frohe Festtage!

15
Dez
2010

...und tschüss

Ich verabschiede mich hier wieder einmal für Tage. Ich will nach Deutschland, meine Freundin Helga besuchen.

Wenn meine Ohren mitmachen
Wenn es keine Wetter-Katastrophe gibt

Wenn... wenn...

Wenn alles klappt, bin ich erst nächste Woche wieder hier zu lesen.

14
Dez
2010

Das richtige Christkind

Kinder müssen heute viel mehr können als früher. Nehmen wir zum Beispiel das Christkind. Als ich ein Kind war, gabs ein einziges Christkind. Man schrieb ihm seine Weihnachtswünsche auf ein Zettelchen. Mutter legte es abends aufs Fensterbrett, damit das Christkind es abholen konnte. Am Weihnachtsabend legte es ein paar Sachen unter den Baum und hatte auch noch Zeit, diesen aufleuchten zu lassen wie ein Wunder.

Heute ist alles anders. Da gibts ja schon am ersten Adventssonntag Lichterorgien allüberall.

Und kompliziert wirds mit den Wunschlisten: Tim (5) etwa gab seiner Patentante seinen Wunsch an ihr Christkind telefonisch durch. Dabei zitierte er gleich die Bestellnummern aus dem Spielwaren-Katalog. "Ich möchte vom Christkind eine Packung Lego City 6743 oder dann 6534", sagte er. Mein Gottenmädchen Carina (5) schickte derweil hübsche Collagen aus dem Spielwaren-Katalog an Gotte, Götti und die beiden Omamis, total vier Bastelarbeiten. So landen also vier Wunschlisten für vier Christkinder auf vier Fensterbrettern - für ein einziges Kind. Uns hätte eine solch wunderbare Christkind-Vermehrung ja misstrauisch gemacht. Die Fünfjährigen von heute aber schaffen es spielend, in ihren kleinen Köpfen die Vorstellung von Myriaden von generalstabsmässig organisierten Christkindern aufrecht zu erhalten.

Oder der Samichlaus. Als ich ein Kind war, gabs einfach den Samichlaus. Als klein Moni Frogg einmal irgendwo einen zweiten sah, begann sie sich zu fragen, wie das mit rechten Dingen zugehen könne. Heute gibts in jedem Warenhaus einen anderen Samichlaus. Aber sind die Kinder verwirrt? Ach wo! Tim soll neulich zu so einem Warenhaus-Samichlaus gesagt haben: "Nein, nein. Mir Dir will ich nichts zu tun haben. Ich rede dann lieber zu Hause mit dem richtigen Samichlaus."

11
Dez
2010

Sind Tierfilme faschistisch?

Am Abend, bevor ich mein Gehör verlor, sahen Herr T. und ich einen Tier-Dokumentarfilm. Es war eine gute Wahl.Tier-Dokus bieten eine seltsame Art von Trost. Sie zeigen die Natur stets als unbarmherzig, aber gerecht. Wenn ein Tier im Naturfilm eine Schwäche zeigt, ist es tot. Er wird von einem hungrigen Fleischfresser erlegt. Oder es verdurstet oder erfriert. Dann wird es Futter für Aasfresser und Bakterien. Fertig.

Nie stellt sich die Frage, ob ein Tier sein Unglück selber verschuldet. Die Natur ist, wie sie ist. Hart, aber gerecht. Sie gibt dem schwachen Tier den Tod und dem Jäger das Leben. Sie bildet Nahrungsketten und ringt stets um ökologisches Gleichgewicht.

Ich schaute ein paar süssen, jungen Bären und ihrer Mama in den Rocky Mountains beim Überlebenskampf zu. Noch konnte ich den Kommentar hören. Aber ein helles Rauschen leckte an den Rändern der Konsonanten. Der Horror hockte mir in der Magengrube.

Im Tierfilm sind chronische Krankheiten genetische Abnormitäten und führen schnell zum Tod. Wäre ich ein Steinbock mit Meniere'scher Krankheit, so hätte ein Schwindelanfall mich längst eine Felswand hinunter gestürzt. Ich hätte mir ein paar quälende Fragen gar nie stellen müssen. Zum Beispiel: Welchen Sinn hat meine Existenz, wenn ich nicht mehr arbeiten kann? Wer füttert mich dann?

Angesichts eines Tierfilms scheinen solche Fragen völlig belanglos. Wenigstens für eine Stunde.

Menschen funktionieren nicht so. Würde eine menschliche Gemeinschaft so funktionieren wie die Natur in Tier-Dokus, wäre sie faschistisch.

Dennoch ist klar, warum alte Leute Tierfilme lieben. Sie geben dem Sterben Sinn.
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