auf reisen

4
Dez
2011

Ich bin gerne Landstreicherin

"Ich habe ein paar Regeln aufgestellt für den Fall, dass ich je Kinder haben sollte", lässt eine Kollegin verlauten, "Zum Beispiel habe ich mir geschworen: Ich werde mich nie so weit gehen lassen, dass ich aussehe wie eine Landstreicherin."

Ich habe dazu nicht viel zu sagen. Ich habe keine Kinder und würde mir nie ein Urteil darüber bilden, wie Frauen mit Kindern auszusehen haben. Aber das Wort "Landstreicherin" dreht Runden in meinem Kopf. Erst später wird mir klar: Ich bin schon viel zu lange nicht mehr über Land gestrichen! Wenn meine Bekannte wüsste, welch ungeheure Freiheit es mir gibt, in einem paar alten Jeans und ausgelatschten Schuhen einfach loszumarschieren! Eine Art Minimalsmus des Reisens mit maximaler Lüftungswirkung für den Kopf.

Natürlich könnte ich auch in diesen neuen, speziell für Wanderer angefertigten Designer-Klamotten aus dem Sportgeschäft aufbrechen. Ich würde dann auch auf der Landstrasse Status zur Schau stellen. Aber das finde ich unnötig. Die meisten Begegnungen, die ich da draussen habe, sind auch so freundlich und respektvoll.

Und: Als Frau allein da draussen bin ich sowieso privilegiert. Wer Familienpflichten hat, schuften oder ein Haus sauber halten muss, kommt meist gar nicht auf solche Ideen.

In den achtziger Jahren wurde die Vagabundin auch mit sexueller Freiheit assoziiert. Zum Beispiel hier:



Aber darum geht es mir nicht. Im Gegenteil: In abgelegenen Gegenden fühle ich mich manchmal sicherer, wenn ich gar nicht auffalle.

So packte ich gestern endlich meine alte Skijacke und meine Winterlatschen und zog los - strikt gegen Norden. Schon nach den ersten Metern stellte sich mir eine Bauabschrankung in den Weg. Sie stand da ohne ersichtlichen Grund. Kein Problem: Landstreicherinnen müssen ihre Kleider nicht schonen und kriechen souverän zwischen solchen Abschrankungen durch.

eigental_sempach 006

Was ich dann erlebte, erzähle ich später.

1
Aug
2011

Die Türkei - mal anders

Wer an der türkischen Küste unterwegs ist, landet immer wieder an heiteren Ferienorten. Man fühlt sich wie im Westen. Die Leute sind gut drauf, das Essen ist prima, die sanitären Anlagen mindestens passabel.

Gelegentlich - meist am Stadtrand - sieht man wacklige Holzhäuschen auf Stelzen. Oder zeltartige Bauten. Touristin Frogg fand sie stets charmant. Die Überreste einer Nomadenkultur, die selbst die Türken mit Nostalgie zu pflegen schienen. Schliesslich ist die Türkei eine Industrienation mit traumhaftem Wirtschaftswachstum. Dieses Land scheint seine armseligen Jahre hinter sich zu haben.

Als wir mit unserem rasenden Bäcker unterwegs waren, bekamen wir ein anderes Bild. Er nahm uns mit auf eine lange Fahrt durch abgelegenes Gebiet östlich von Kaş. Nur einige Gewächshäuser zeugten davon, dass die Moderne hier angekommen war. Einmal hielt er unerwartet zwischen ein paar Häusern. Tatsächlich stand hier einer dieser durchsichtigen Plastik-Kästen, in denen Türken Brot feilbieten.

Der Kasten schien das Zentrum dieses Dorfs zu sein. Denn neben ihm sassen vier oder fünf Männer reglos und blickten gegen Süden. Sie redeten wenig und bewegten sich auch kaum, als der Bäcker anhielt. Es war gegen Mittag. Die Männer hatten wohl keine Arbeit.

Auf der anderen Strassenseite sass eine ältere Frau vor ihrer Haustür auf dem Boden. Sie hatte eine Schüssel im Schoss und formte Teigbällchen. Gelegentlich stand sie auf und ging zu einem Wäsche-Zuber beim Gartentor. Sie stampfte ein bisschen im Waschwasser herum und ging dann wieder zu ihren Teigbällchen zurück. Auf der Strasse sassen zwei junge Hunde mit hungrigen, gelben Augen und kratzten sich ständig hinter den Ohren.

Von solchen Dörfern also waren die Söhne Anatoliens in Scharen nach Deutschland aufgebrochen. Und: Es gibt sie noch, diese Dörfer.

Wir kamen von einem anderen Planeten. Wir gehörten nicht hierher.

Das Schlimmste aber war: An der nächsten Strassenkreuzung standen zwei alte Männer und hielten den Bäcker an. Sie hatten gehofft, er würde sie in seinem Auto mitnehmen. Wir hatten ihnen die Fahrgelegenheit weggenommen.

Nächstes Mal, schwor ich mir, nächstes Mal leiste ich mir ein Taxi.

Wegen meiner Ohrengeschichte weiss ich nicht, ob es ein nächstes Mal geben wird. Ich weiss nur: Hier beende ich mein Türkei-Epos. Es war trotz allem eine gute Reise.

Aber es gibt ja auch von zu Hause Geschichten zu erzählen.

27
Jul
2011

Der rasende Bäcker

Improvisation gehört zum täglichen Brot der Türken. Kein öffentliches Verkehrsmittel vom winzigen Dorf Üçağız nach Kaş? "Kein Problem. Ihr könnt mit dem Bäcker fahren", sagte der junge Mann, der in der in der Pension Onur für die Improvisation zuständig ist. Er spricht ungefähr fünf Sprachen, eine davon Flämisch. Und er jongliert die verschiedenen Bootstouren der Gäste. Naja, vielleicht nicht grad im ganzen Hafen.

türkei2011 086

Aber oft sind es mehrere. Meistens taucht dann ein Cousin oder Neffe auf und führt den Gast zu einem der Boote. Und wenn ein Gast Nadel und Faden braucht, dann geht der Improvisator zur Frau am Marktstand mit den Halsketten. Und so weiter. Meistens finde ich diese Lebensart sympathisch. Sie lässt den Alltag als feines Gewebe von Begegnungen und Verhandlungen erscheinen. Eines, das zuweilen nur an einem Faden zu hängen scheint. Was aber für Gäste kaum je stressig ist. Denn Gäste werden stets bevorzugt behandelt.

Auch die Aussicht auf die Fahrt mit dem Bäcker zauberte ein breites Lächeln auf das Gesicht von Frau Frogg. Ihr geliebter Grossvater Walholz selig ist Bäcker gewesen - und die Fahrten mit ihm und dem frischen Brot gehören zu ihren Lieblings-Kindheits-Erinnerungen.

Gegen 11 Uhr fuhr der Bäcker mit seinem klapprigen Kastenwagen vor und lud ein paar Kisten duftendes Weissbrot aus. Und wir durften zusteigen.

Frau Frogg knallte eine verbeulte Tür zu. Dann erlosch ihr Lächeln.

Denn ehrlich: Es war eine Höllenfahrt.

Der Mann schien nicht glücklich, uns mitnehmen zu müssen. Und ich konnte ihn auch nicht mit Geschichten von meinem Grossvater günstig stimmen. Er sprach keinen Brocken Deutsch oder Englisch. Wir viel zu wenig Türkisch.

Und - wie hatte ich Depp auch etwas anderes erwarten können: Der Mann war ein Raser. Wenn es abwärts ging, schaltete er in den Leerlauf, hängte sich übers Steuerrad, zündete sich eine Zigarette an und stöhnte leise auf. Alle Fenster waren offen, weit und breit kein Sicherheitsgurt. Frau Frogg ertappte sich bei sehr westlichen Gedanken. Zum Beispiel: Wird überhaupt irgendeine eine Versicherung bezahlen, wenn wir hier über eine Böschung donnern und uns einen Rückenwirbel brechen?

Wir bekamen auf dieser mehr als halbstündigen Fahrt auch eine ganz andere Türkei zu sehen als die sonnigen Kleinstädtchen-Südtürkei, die wir bisher kennen gelernt hatten. Aber davon erzähle ich nächstes Mal.

24
Jul
2011

Taffe Geschäftsfrau

Türkinnen tragen nicht selten Kopftücher. Deshalb stellen wir uns gerne vor, sie seien unbeholfene Huscheli. Allerdings musste ich diese Sichtweise schon bei meiner letzten Türkei-Reise revidieren. Damals lernte ich Funda kennen. Und stellte fest: Diese Frau ist Weltklasse im Verhandeln. Immer bezaubernd im Ton - aber beinhart in der Sache. Sie bekommt fast alles, was sie will. Und noch eine Menge mehr

Und bei unserem letzten Aufenthalt im bezaubernden Küstendorf Üçağız sahen wir auch einige kompetente Rudererinnen.

Klar, die Gegend ist so reich an Inseln und Buchten, dass man nicht wasserscheu sein darf. Die Männer verdingen sich auch gerne als Motoboot-Fahrer für die Touristen, die die versunkene Stadt auf der Insel Kekova sehen wollen.

Übrigens ein äusserst sehenswerter Ausflug. Die Landschaft da draussen ist wie geschaffen für einen Fellini-Film. Karg. Das Meer ist türkisgrün. Überall stehen Jahrtausende alte Grabmäler herum. In der lieblichen, völlig unbewohnten Badebucht von Tersane warten die Reste eines Tempels.

Und mitten in der Bucht, vier oder fünf Kilometer vom Dorf entfernt, sitzt eine alte Frau allein in einem Ruderboot unter aufgespanntem Sonnenschirm. Ein surrealer Anblick. Natürlich wollte ich sie fotografieren. Sie erlaubte es auch.

Old Woman rowing

Allerdings gibt das Bild nicht ansatzweise die Merkwürdigkeit der Szene wieder. Denn gleichzeitig steuerte nun die Alte auf unser Boot zu und begann mir über die Reling eifrig ihre Ware zu zeigen: Sie wartete da draussen, mitten im Nirgendwo, mit Tüchern aus bestickter Baumwolle auf Touristenboote.

Das gab mir zu denken. Ich wusste nicht, ob ich Hochachtung für die sportliche Seniorin und ihr unkonventionelles Geschäftsmodell empfinden sollte. Oder Mitleid, weil in diesem Land auch Leute im Rentenalter nicht davor verschont werden, harte Verkaufsgespräche zu führen.

Wie auch immer: Die Frau erzielte bei mir einen ziemlich guten Preis für ein Halstuch.

Wenn ich das Verhandlungsgeschick einer Türkin hätte, hätte ich sie wenigstens dazu gebracht, mir noch einmal richtig Modell zu sitzen.

23
Jul
2011

Legendäre Schildkröten

Wegen meiner leidigen Ohrengeschichte* bin ich mit meinem neuesten Türkei-Epos ins Hintertreffen geraten. Herr Kulturflaneur hat mich längst überholt, und das meiste könnt Ihr bereits bei ihm lesen. Aber ein paar Dinge hat er zum Glück ausgelassen - wohl auch, um mir nicht alles wegzubloggen. So scheint er sich wenig für die Meeresschildkröten in Çıralı interessiert zu haben. Dabei sollen dieses legendären und höchst geschützten Meerestiere dort gerne ihre Eier am Strand vergraben.


(Quelle:www.mister-x.it)

Jedenfalls gibt ein Schild am Dorfrand damit an. Allerdings wusste ich nach meinem ersten Besuch bereits, dass Çıralı ein lebhaftes Strandleben hat. Deshalb verbannte ich die Story ins Reich der Märchen. Ich war überzeugt, dass die Leute von Çıralı die Schildkröten längst still und heimlich dem Wohlstand geopfert hatten. Das fand ich natürlich schade. Aber wer sollte ihnen daraus einen Vorwurf machen? Jedenfalls nicht wir Schweizer, die wir uns nicht einmal im Stande sehen, dem Wolf und dem Luchs in den abgelegensten unserer Bergtäler eine würdige Heimat zu bieten.

Doch ich wurde eines Besseren belehrt. Bei einem Abendspaziergang am Strand fand ich am 25. Juni ein rundes Dutzend dieser seltsamen Gitterkörbe.

Basket protecting sea turtle's eggs

Sie waren säuberlich numeriert und der WWF Türkyie bescheinigte jedem Neugierigen, dass er hier vor dem Gelege einer Caretta Caretta stehe.

Ich zückte meinen Sonnenhut vor den Leuten von Çıralı.

Erst später fand ich heraus: Nur wegen der Riesenschildkröte ist Çıralı nicht zu einem Touristen-Moloch mit Bettenburgen aus Beton geworden - wie so viele andere Küstenorte in der Türkei. "Die Zeit" hat diese Geschichte hier wunderschön erzählt.

* Heute geht es besser. Ich höre Musik - nur der Badewannen-Schwindel ist unangenehm.

16
Jul
2011

Gigolo auf Weltreise

Musikalisch sind die Türken ausgesprochen eigenständig. Gegen angelsächsische Globalkost sind sie immun. Wenn schon westliche Einflüsse, dann bitte von türkischen Bands mit orientalischem Sound amalgamiert. Umso erstaunter war ich, eines Abends in unserem Stammrestaurant am Strand von Çıralı diesen Song zu hören.



Hört unbedingt hinein, wenigstens kurz! Ihr werdet ihn sofort erkennen. Ja, es ist eine eingetürkte Version von "Gigi l'amoroso" - diesem ultimativen Strandschlager aus den sechziger Jahren. Sänger Tanju Okan hat sich nicht einmal die Mühe genommen, ihn mit dieser leisen Wehmut zu unterlegen, die sonst türkischen Schlagern eigen ist.

Dalida machte das Lied 1968 europaweit zum Hit. Sie sang ihn auf italienisch, französisch und spanisch. All dieser Sprachen noch unkundig, glaubte ich als als Teenager, Gigi müsse der Inbegriff des italienischen Strand-Gigolos sein. Dabei ist die Story eine Ode an einen Dorfcasanova mit gescheiterten Hollywood-Ambitionen.

Mein Irrtum mag auch damit zusammenhängen, dass in den 70er Jahren eine schweizerdeutsche Version des Songs hierzulande die Charts stürmte. Er heisst "Gigi vo Arosa" und besingt einen attraktiven Skilehrer. Damals war das Musik für unsere Eltern und einfach nur öde. Heute weiss ich nicht, ob ich lachen oder nostalgisch werden soll, wenn ich mir das anhöre. Oder ob ich es immer noch einfach blöd finden soll.

Und die türkische Version von Tanju Okan? Ein Versuch, europäisches Strandleben zu kopieren? Ich weiss es nicht. Meine Recherchen waren unergiebig. Die Kellner im Strandrestaurant hatten keine Zeit, über Songs zu reden. Und dem türkischen Wikipedia-Eintrag entnehme ich lediglich, dass Okan 1996 nur 58-jährig starb und aus Izmir stammte.

Mit dem Titel habe ich dann noch ein bisschen herumgegoogelt. "Aşkı" heisst offenbar "Haken" oder "Kleiderhaken". "Bulacaksın" heisst wahrscheinlich "du findest".

"Du findest den Haken"? Doch keine Strandidylle.

8
Jul
2011

Rock'n'Roll für die Augen

Dass das Museum von Antalya einen Besuch wert ist, hat Herr T. bereits erwähnt. Besonders aus der Antike sind dort ein paar überwältigend schöne Stücke zu sehen.

Aber als wir dort ankamen, fühlte ich mich ein bisschen wie diese Figur aus der Römerzeit im Saal der Statuen.

The Goddess Artemis

Das ist Artemis, die Göttin der Jagd und des Waldes. Sie hat einmal einen Bogen gehalten, der ihr aber irgendwann in den letzten zwei Jahrtausenden aus den Händen gerissen wurde - zusammen mit einem Teil ihres Gesichts. Auch ich war teilbeschädigt. Bei mir waren die Ohren das Problem. Meeresrauschen hörte ich an jenem Tag als ein irritierendes Meeresgluckern und -schaben. "Wenn das so weitergeht, werde ich gar nicht erfahren, wie Antalya wirklich klingt", dachte ich. Ich war verzagt.

Aber dann geschah etwas Merkwürdiges. Ich sah ich dieses Relief auf einem Sarkophag.

Dyonisian Ritual an a Tombstone

Es zeigt eine bacchantische Szene, die Rampensau im Bildzentrum heisst Silenos. Es war die schiere, krafttrotzende Vitalität dieser Figur, die etwas in mir berührte. Es war Rock'n'roll fürs Auge. Ich wusste plötzlich: Ich wollte hier sein. Ich wollte hören.

Und tatsächlich hörte ich danach deutlich besser.

Es ist nicht das erste Mal, dass mir so etwas passiert. Es gibt Momente, in denen ich die Willenskraft in mir finde, mich selber zu heilen - wenigstens vorübergehend. Allerdings reicht es nicht, wenn ich mich hinstelle und sage: "Ich will hören". Es braucht mehr. Ich muss die Kraft auch finden, es selber zu glauben. Diesmal glaubte ich es.

Als ich das Museum verliess, fühlte ich mich so.

Head on Tombstone

Der Zustand hielt immerhin bis zum Abend an.

6
Jul
2011

Der Muezzin und die Hunde

Am ersten Abend lagen wir mit Büchern in der Hand in unsern Betten in Antalya. Das Fenster unseres Zimmers ging auf einen Garten in der Altstadt. Von dort hatten wir schon am Morgen seltsames Gemaunze gehört. Kinder? Hunde? Katzen? Herr T. und ich waren nicht sicher. Doch jetzt fing der Muezzin zu singen an. Und sogleich erhob sich im Garten zweistimmiges Begleitgejaul. Wir brachen in Gelächter aus, denn jetzt war es eindeutig: Die Kreaturen im Hof waren zwei Hunde. Ob sie den Muezzin für ihresgleichen hielten?

Dabei ist der Gesang des Muezzins von Antalya eine Ehrfurcht gebietende Sache. Wie eine mächtige, vibrierende Glasglocke bedeckt die Stimme aus den Lautsprechern bei Sonnenuntergang die alte Stadt und die Bucht. Man glaubt, man könnte sie berühren, wenn man sich nur irgendwie in die Lüfte erheben könnte.

Am nächsten Morgen besuchten wir eine Moschee. Sie war gross und leer. Nur in einer Ecke hing eine Tafel mit einer Liste von Wörtern. Zahlen standen in Digitalanzeige daneben:

Imsak 03:44
Sabah/Gün 05:31
Ögle 13:06
Ikindi 16:55
Akşam: 20:28
Yatsı 22:06

Wir rätselten darüber, was das wohl sein könnte. Dann begriffen wir plötzlich: Das war der Einsatzplan des Muezzins! Seine Arbeitszeit verändert sich täglich, und zwar auf Grund komplexer Berechnungen - hier erläutert.

Auch als religiös desinteressierter Tourist kann man die sechsmalige Verkündigung von Gottes Grösse in der Türkei nicht immer ignorieren. Es sei denn, man wäre taub. Ob es wohl für taube Menschen in der Türkei etwas bedeutet, dass sie den Muezzin nicht hören können? Ich musste an den Blues-Pionier Blind Willie Johnson und seinen Song "Nobody's Fault But Mine" denken. Hier habe ich darüber geschrieben. Johnson beschreibt in seinem Song die Furcht, nicht in den Himmel zu kommen. Weil er die Bibel nicht lesen konnte. Kommt man in der Türkei nicht in den Himmel, wenn man den Muezzin nicht hören kann?

Aber mit Herrn T. gab ich mich fröhlichen Spekulationen darüber hin, wie die Türken wohl ihre Muezzine finden. Wir stellten uns einen Fernseh-Contest im Stil von DSDS vor. Sie hiess TSDSM (Türkei sucht den Super-Muezzin) vor. Wie ich unterdessen herausgefunden habe, lagen wir gar nicht so weit daneben.



Das Video ist der Trailer des Films Muezzin des Österreichers Sebastian Brameshuber. Er setzt sich mit dem Phänomen des Muezzin-Contests auseinander.

2
Jul
2011

Verfrühtes Ferienende

Eben sind wir aus der Türkei zurückgekommen - eine Woche früher als geplant.

Am 29. Juni sass ein elendes Häufchen Frogg in einem Pensions-Zimmer im reizenden Städtchen Kaş. Ihre Krankheit machte ihr zu schaffen. Zum mpfzehnten Mal in diesen Tagen. Und von Mal zu Mal wurde es schlimmer. Die Ohren dröhnten. Kühlschrank- und Ventilatorengesurr waren ihr längst im Klang der Schwerhörigkeit ersoffen. Ab und an gurgelte ein Auto vorbei. Frau Frogg wusste nicht mehr, was sie in Kaş verloren hatte. Sie fühlte sich, als läge sie in einem dieser 2000 Jahre alten lykischen Sarkophage, von denen sie in den letzten Tagen so viele gesehen hatte.

türkei2011 107 (Hier in Teimiussa)

Endlich sagte Frau Frogg laut und deutlich, was sie schon seit Tagen hatte sagen wollen und nicht zu sagen gewagt hatte: "Ich will nach Hause."

Herr T. wand sich. Er wollte nicht nach Hause. Er konnte auch nicht recht nachvollziehen, warum Frau Frogg nicht mehr reisen wollte. Er konnte ja nicht sehen, wie ihr Ohren gurgelten und dröhnten. Und überhaupt: Wie soll man eine Person verstehen, die innert einer halben Stunde von der munteren Reisegefährtin zum nervlichen Wrack wird - weil ihr Gehör so rasch nachlässt? Die sich am Strassenrand plötzlich jedes Mal gequält die Ohren zuhält, wenn eine Vespa vorbeiknattert (und es knattern viele Vespas vorbei). Naja, nennt es Hyperakusis, erhöhte Geräuschempfindlichkeit. Eine dieser paradoxen Begleiterscheinungen von Schwerhörigkeit. Unangenehm.

Doch dann begriff er, dass es mir ernst war. Wir buchten einen Flug nach Hause.

Heute gegen Abend kamen wir in Zürich an. Ich hörte das Kuhglockengebimmel und Jodeln im Flughafen-Bähnli und wäre beinahe in Tränen ausgebrochen. Ich wusste nicht, ob es Tränen der Erleichterung oder der Enttäuschung über das frühe Ferienende gewesen wären.

Ein Epos sollt Ihr trotzdem bekommen. Dafür reicht der Stoff allemal. Ich widme es hiermit acqua, mit der ich 2009 schon in Lykien gewesen bin. Ich habe hundermal an Dich gedacht, acqua.

Aber erst mache ich jetzt mit Herrn T. noch ein bisschen Ferien in der Schweiz.

18
Jun
2011

Aus! Fertig! Tschüss!

Freunde, genug Muotatal! Genug Epen! Genug grauer Alltag! Genug von allem im Moment! Ich muss packen. Heute Abend fliegen wird nach Antalya. Drei Wochen Ferien in der Türkei.

Bis danach!

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