Gesten der Macht
Dieses Keystone-Bild habe ich neulich aus einer Zeitung ausgeschnitten. Der Mann, dem Obama hier so herzlich die Hand schüttelt ist John Kerry.
Fasziniert bleibt mein Blick an diesem Händedruck hängen. "Schau mal, wie Obama Kerrys Rechte mit seinen beiden Händen umfasst! Das ist eine Herrschaftsgeste!" hörte ich im Geiste meine Freundin Helga sagen. Helga weiss Bescheid über Herrschaftsgesten. Wie die Frogg hat sie jahrelang versucht, beruflich in Männerwelten ihren Weg zu machen. Mit wechselndem Erfolg. Eins haben wir beide gelernt: Für Männer bedeutet Status etwas anderes als für Frauen. Männer legen ständig Hierarchien fest. Damit sie wissen, wo sie stehen. Sie verhandeln und manifestieren ihren Status mit subtilen Gesten: Der Stärkere klopft den schwächeren auf die Schulter. Oder er gibt ihm einen väterlichen Obama-Doppelhändedruck. Er sagt damit: "Hey buddy, Du bist zwar der Looser hier. Aber Du gehörst zu meinem Team. Wenn Du mir dienst, werde ich Dich beschützen."
Täusche ich mich, oder antwortet Kerry, selber auch nicht gerade ein politischer Nobody, mit einer ebenso subtilen Demutsgeste, einem bewundernden Aufblicken zu einem Mann, der wahrscheinlich kleiner ist als er? Er scheint damit kein Problem zu haben. Wir Frauen tun uns viel schwerer mit solchen Rituälchen. Deshalb fällt es uns schwerer, in der Welt der Männer zu reüssieren.
"Doch warum", frage ich mich, "Warum fällt Dir gerade bei Obama eine Herrschaftsgeste auf?" Ich meine, bei allen anderen Politikern, seien sie weiss, schwarz oder asiatisch, fällt mir sowas sonst nie auf. Wohl deshalb, weil man von Politikern nie etwas anderes erwartet als Gesten der Macht. Aber Obama ist irgendwie anders, jedenfalls für die Frogg. Sie schaut ihm genauer zu. Hört seinen Reden zu fühlt sich dabei gelegentlich wie die Zeugin eines Hochseilakts. Überlegt sich, ob sie zu sagen wagen würde, was er eben gesagt hat. Ist gerührter von den Reden dieses Mannes als sie je von einer Rede eines Schweizer Politikers war.
Ist es so, weil er nur gerade ein Jahr älter ist als sie?
Eben doch, weil er schwarz unter Weissen ist und wie wir Frauen a priori nicht zum Herrschen geboren scheint?
Oder ist es das, was man Charisma nennt?
Ich weiss es nicht. Ich verstehe es nicht.
diefrogg - 9. Nov, 12:23
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nanou - 9. Nov, 14:10
Es ist auf jeden Fall Zeit geworden für ihn. Der Mann ist intelligent, ehrgeizig, was weiß ich noch alles und Der Hat Ausstrahlung. Definitiv. Jetzt wünsch ich ihm viel Erfolg. Zeit für einen Wandel ist es bei den Amis allemal.
diefrogg - 9. Nov, 14:49
Also...
meine Erwartungen an seine politischen Leistungen stecke ich mal nicht zu hoch. Ehrlich gesagt, ich möchte seine Probleme nicht lösen müssen. Ausserdem wird es jetzt an der Zeit, dass er sich mal festlegt. Bis jetzt hat er ja nicht viel Konkretes gesagt. Ausser, dass er der Autoindustrie helfen will... Früher hätte ich ihn dafür schon mal verabscheut. In der heutigen Situation habe ich Verständnis dafür.
jonash - 9. Nov, 17:21
auch Clinton hat diese Gesten —immernoch— drauf. Bei Obama ist das, denke ich, Charisma, Bescheidenheit (dass er seine Hand auf die andere legt, kann doch auch ein Zeichen der Wertschätzung sein) und die «Aura» des Leaders. In Kerrys Blick lässt sich wahrscheinlich nicht viel hineininterpretieren; er schaut stets wie ein geschlagener Hund.
lieber gruss
lieber gruss
diefrogg - 10. Nov, 10:18
Klar...
ist das in auch eine herzliche Geste und eine, die Wertschätzung ausdrückt. Kerry's Name wird ja auch genannt, wenn von Obamas künftigen Ministern die Rede ist. Aber würdest Du Dich trauen, zum Beispiel die Hände eines Deiner Professoren in Deine beiden Hände zu nehmen?
jonash - 10. Nov, 11:37
klar, hab ich auch schon. zwar sind die profs wohl nicht mehr die autoritäten von früher und möglicherweise habe ich keinen schimmer von herrschaftsgesten—aber ich denke, der «beidhänder» ist gar nicht mal so verschieden, wie andere höflichkeitsgesten, z.b. visitenkarten mit zwei händen entgegenzunehmen.
diefrogg - 10. Nov, 12:54
Ehrlich gesagt....
habe ich Mühe, das zu glauben. Aber vielleicht haben sich die Zeiten ja wirklich geändert! Das mit den Visitenkarten tun doch nur Chinesen, habe ich gemeint?
jonash - 10. Nov, 13:11
aber was hindert denn Nichtasiaten daran, Visitenkarten mit beiden Händen entgegenzunehmen?
walküre - 10. Nov, 20:23
Körpersprache basiert niemals auf einer einzigen Geste, sondern auf dem Zusammenspiel aus Haltung, Mimik und Gestik ; einer bestimmte Konstellation können situationsabhängig völlig verschiedene Bedeutungen innewohnen, die nicht zuletzt auch vom Kulturkreis des/der Agierenden abhängen. Eine Verbeugung beispielsweise kann eine Respektbezeugung sein, aber ebenso Demut, Dankbarkeit oder auch Furcht ausdrücken, was aber nur aus dem jeweiligen Kontext (Lächeln, ängstlicher Gesichtsausdruck usw.) zu erkennen ist. Als Geste der subtilen Unterwerfung sehe ich den obigen Händedruck keineswegs; Obama neigt sich Kerry ebenfalls zu, beide zeigen ein herzliches Lächeln und scheinen einander bestens zu verstehen. Ein beidhändiger Händedruck kann für meine Begriffe ohne weiteres auch dort zum Einsatz kommen, wo ein einfacher Händedruck zu formell, eine Umarmung aber ebenfalls nicht angebracht ist, und zwar ohne dass eine Unterwerfungsgeste dahinter steckt.
diefrogg - 10. Nov, 21:19
Warum widersprecht...
Ihr mir hier eigentlich alle so vehement? Weil Ihr mir nicht abnehmen wollt, dass Obama Herrschaftsgesten beherrscht und beherrschen muss, um überhaupt da zu sein, wo er ist? Weil Ihr mir nicht glaubt, dass Herrschaft und Herzlichkeit durchaus zusammen gehen?
steppenhund - 10. Nov, 22:11
Warum der Widerspruch?
Vermutlich weil Walküre recht hat. Auch wenn eine Geste in einer bestimmten Art interpretiert werden kann, sind erst die zusätzlichen Umstände dafür ausschlaggebend, ob sie in die eine oder in die andere Richtung interpretiert wird. Ich selbst würde die doppelte Hand nicht als Herrschaftsgeste interpretieren sondern als Zeichen der Herzlichkeit. Aber ich bin kein Psychologe und kann daher völlig falsch liegen.
Dass aber die Visitenkarte im asiatischen Raum mit beiden Händen entgegengenommen wird - und zwar nicht nur in China sondern auch vor allem in Japan - habe ich nicht nur gelernt, sondern unzählige Male erlebt und mich sehr bemüht, mich ebenso zu verhalten.
Das Entgegennehmen mit beiden Händen drückt Ehrerbietung vor der Person des anderen aus und wird in beiden Richtungen (von oben nach unten und von unten nach oben) gespielt. Ebenso gebietet es der Anstand, dass man die Karte aufmerksam betrachtet, sie quasi liest, um das Interesse, dass man am anderen hat, unter Beweis zu stellen.
Vermutlich weil Walküre recht hat. Auch wenn eine Geste in einer bestimmten Art interpretiert werden kann, sind erst die zusätzlichen Umstände dafür ausschlaggebend, ob sie in die eine oder in die andere Richtung interpretiert wird. Ich selbst würde die doppelte Hand nicht als Herrschaftsgeste interpretieren sondern als Zeichen der Herzlichkeit. Aber ich bin kein Psychologe und kann daher völlig falsch liegen.
Dass aber die Visitenkarte im asiatischen Raum mit beiden Händen entgegengenommen wird - und zwar nicht nur in China sondern auch vor allem in Japan - habe ich nicht nur gelernt, sondern unzählige Male erlebt und mich sehr bemüht, mich ebenso zu verhalten.
Das Entgegennehmen mit beiden Händen drückt Ehrerbietung vor der Person des anderen aus und wird in beiden Richtungen (von oben nach unten und von unten nach oben) gespielt. Ebenso gebietet es der Anstand, dass man die Karte aufmerksam betrachtet, sie quasi liest, um das Interesse, dass man am anderen hat, unter Beweis zu stellen.
walküre - 10. Nov, 22:11
Was ich über Körpersprache geschrieben habe, stammt nicht von mir, sondern das hat Samy Molcho in einem seiner Bücher gesagt. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass er recht hat.
Warum wollen eigentlich Sie, Frau Frogg, unbedingt recht haben ?
PS: Es ging um das Bild, dem Sie etwas attestieren, was man nicht eindeutig herauslesen kann. Dass Obama selbstverständlich und mit Sicherheit auch geschult ist, was Körpersprache anbelangt, ist bei Menschen, die in intensiver Interaktion mit anderen Personen stehen, völlig normal. Sogar für Bewerber in durchaus management- und poltikfernen Berufen gibt es mittlerweile Seminare für Körpersprache.
Warum wollen eigentlich Sie, Frau Frogg, unbedingt recht haben ?
PS: Es ging um das Bild, dem Sie etwas attestieren, was man nicht eindeutig herauslesen kann. Dass Obama selbstverständlich und mit Sicherheit auch geschult ist, was Körpersprache anbelangt, ist bei Menschen, die in intensiver Interaktion mit anderen Personen stehen, völlig normal. Sogar für Bewerber in durchaus management- und poltikfernen Berufen gibt es mittlerweile Seminare für Körpersprache.
diefrogg - 10. Nov, 22:52
Ich will nicht...
unbedingt recht haben. ich staune nur über die Vehemenz des Widerspruchs. Im übrigen habe ich nie abgestritten, dass die Geste AUCH herzlich ist. Und dann bin ich überzeugt, dass Obama sie nicht üben und schon gar nicht in einem Seminar lernen musste: Sowas können gute Politiker, ohne auch nur eine Sekunde lang drüber nachzudenken. Und Obama muss ziemlich gut sein, sonst wäre er nicht amerikanischer Präsident geworden.
jonash - 11. Nov, 08:45
ich finde diesen Blog ziemlich gut.
«Ist es so, weil er nur gerade ein Jahr älter ist als sie?
Eben doch, weil er schwarz unter Weissen ist und wie wir Frauen a priori nicht zum Herrschen geboren scheint?
Oder ist es das, was man Charisma nennt?
Ich weiss es nicht. Ich verstehe es nicht.»
will ja niemand widersprechen—nur versuchen, die fragen zu beantworten
«Ist es so, weil er nur gerade ein Jahr älter ist als sie?
Eben doch, weil er schwarz unter Weissen ist und wie wir Frauen a priori nicht zum Herrschen geboren scheint?
Oder ist es das, was man Charisma nennt?
Ich weiss es nicht. Ich verstehe es nicht.»
will ja niemand widersprechen—nur versuchen, die fragen zu beantworten
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