21
Apr
2011

Reiche krallen sich das Paradies

Heute habe ich einen Spaziergang im Paradies gemacht.

Bächtenbühl, Meggen

Es liegt direkt hinter der Stadtgrenze von Luzern auf einer weichen Hügellandschaft über dem See. Es heisst Bächtenbühl. Die Aussicht dort oben ist atemberaubend.

Bächtenbühl

Der Wind weht schimmernde Blütenblätter auf den Weg. Grillen zirpen. Vögel zwitschern. Auf den Wiesen arbeiten die Bauern. Am Himmel drehen riesige Raubvögel ihre Kreise.

Es hat dieselbe Zukunft wie so viele Paradiese der Schweiz: Die Reichen sind dabei, es sich unter den Nagel zu reissen.

Um es vorher noch zu erreichen, gehen Fussgänger aus der Stadt die Salzfass-Strasse hoch. Zuoberst betreten sie Megger Boden und damit das Steuerparadies des Kantons. Durch ein Scheunentor gelangen sie aufs Bächtenbühl.

Bächtenbühl Scheune

Ob das weithin sichtbare Haus stehenbleibt, wenn der Golfplatz kommt, ist mir nicht ganz klar. Denn, ja, hier wird demnächst ein Golfplatz gebaut. Die Stimmbürger von Meggen haben das Projekt am 28. November 2010 knapp bewilligt. Man hat den Stimmbürgern eine nachhaltige grüne Grenze zur Stadt versprochen. Das scheint gezogen haben. In Steuerparadiesen weiss man die Städte gerne weit weg. Städte wollen den Reichen immer ans Geld. Städte sind gierig.

Doch zurück zum Golfplatz: Die Bauern auf dem Bächtenbühl müssen aufhören. Der Ort soll zwar öffentlich bleiben - und Naturschutz geniesst angeblich eine hohe Priorität. Aber Hand aufs Herz: Wer spaziert schon gerne, wo einem die Golfbälle um die Ohren fliegen? Und dann möchte ich wirklich gerne wissen, wie viele Magerwiesen auf einem Golfplatz Platz haben. Ausserdem will man hier "hochklassiges Spass- und Wohlgefühl" kultivieren. Keinen "Billigtourismus". Ehrlich: Mir wird speiübel, wenn ich das lese.

18
Apr
2011

Wien kurz vor Ostern

Mehr als 40 Jahre lang habe ich es tunlich ignoriert. Aber in Wien musste ich es einsehen: Ich bin eine Kitschtante. Am Ostermarkt beim Schottenstift traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Ein charmantes Märktlein mit drei, vier Buden. Keinesfalls so überlaufen wie hierzulande alles, was sich Oster-, Weihnachts-, Handwerker-, Antiquitäten- oder Sonstwie-Markt nennt. Herr T. wollte ihn dennoch umschleichen. Aber ich kannte kein Pardon und zerrte ihn mit hinein ins Osterparadies.

Herzstück des Marktes ist ein mittelgrosser Tante-Emma-Laden mit Eiern. Und die sind nicht wie im grobschächtigen Helvetien einfach hart gekocht und irgendwie mit Farbe beklatscht. Nein. Man hat ihnen Eigelb und -weiss aus winzigen Löchern weggeblasen. Und die fragilen Reste sind filigranst verziert.


Easter egg

Die beiden linken Bildern sind von Herrn T., der bekanntlich eine Affinität fürs Häkeln und Stricken hat. Er hatte grösste Mühe, mich wieder auf unsere geplante Stadtrundgangs-Route zu bringen.

Die Eier kosten 3 bis 11 Euro das Stück. Und natürlich erregten sie auch die Neugier von Spürnase Frogg. Werden die Eier irgendwo in den neueren EU-Staaten für Hungerlöhne hergestellt? Handelt es sich wirklich um Handarbeit? Was geschieht mit den vielen, vielen Litern Eiweiss und -gelb, die bei so einer Arbeit anfallen?

Das Verkaufspersonal erwies sich leider als äusserst wortkarg.

Ich fragte später Katiza. Sie sagte, die kleinen Kunstwerke würden im Burgenland gemacht.

Dass es in gewissen Haushalten des Burgenlandes monatelang Kaiserschmarrn zum Frühstück, Mittag- und Abendessen gibt, kann ich allerdings nur vermuten.

15
Apr
2011

Blogger-Kollegen kennenlernen

Sollte man Blogger-Kollegen persönlich kennen lernen? Soll man sich dem Risiko aussetzten, mit einem Menschen aus Fleisch und Blut weniger gut zurecht zu kommen als mit seiner virtuellen Erscheinung? Nach den Erfahrungen dieser Woche lautet meine Antwort einmal mehr: Ja, man sollte! Unbedingt! Auch, weil man sich täuscht. Gerade deswegen!

Was habe ich mich in katiza getäuscht! Da standen wir am Sonntagabend in Wien vor dem Haus, in dem sie wohnt. Ich erwartete, gleich einer Frau mit einer zarten Stimme zu begegnen. Einer Frau, die jene Empfindsamkeit auf dem Ärmel trägt, die ich so gut von ihr kenne. Wir klingelten an der Tür des alten Bürgerhauses. Eine kräftige Alt-Stimme klang uns aus dem Lautsprecher entgegen: "Im vierten Stock!". Langsam stiegen wir die Treppen hoch, hinauf ins Reich von katiza.

DSCN0061
(Bild von Herrn T.)

Oben öffnete uns eine jener Frauen, die sich im Leben behaupten: Elegant, taff, selbstbewusst.

Ich es dauerte mindestens zwei Stunden, bis mein Bild von katiza und ihre reale Erscheinung zu einer einigermassen stimmigen Collage zusammenwuchsen. Diese zwei Stunden und alles, was danach kam, waren ein grosses Geschenk. Unsere Tage bei ihr hat sie hat sie hier so wunderbar geschildert, dass ich nichts hinzuzufügen brauche.

Getäuscht hatte ich mich auch in Frau Walküre. Ich habe virtuell manchen Strauss mit ihr ausgefochten, und ich gestehe: Ich hatte ein gewisses Lampenfieber vor unserem Treffen. Würde sie eine Frau sein, die streng ist mit sich und der Welt?

Ironie des Schicksals: Es ist Frau Walküre, die eine zarte Stimme hat, die empfindam wirkt. Wir hatten eine sehr schöne Begegnung. Hier der Bericht von Frau Walküre. Natürlich, da und dort schimmerte Debatten-Potenzial auf. Aber um wie viel leichter lassen sich solche Meinungsverschiedenheiten im realen Leben mit einem Lächeln klären! Und wie viel besser werde ich in Zukunft die Argumente von Frau Walküre verstehen! Ich freue mich auf weitere Auseinandersetzungen!

Gross und herzlich waren auch die Gastfreundschaft von MadProfessor und seiner Liebsten! Manche Touristen fahren ja ins Ausland und wollen auch dort mit ihrer heimatlichen Küche bewirtet werden. Wir genossen Wiener Kulinarik ausgiebig - und hatten dafür das Privileg, in Wien ein Schweizer Kartenspiel ausüben zu dürfen! Das war schon etwas ganz Besonderes! Die Revanche in der Schweiz ist beschlossene Sache. Der Käse ist eigentlich fast schon bestellt!

Ja, man sollte seine Blogger-Kollegen kennen lernen, wo sich eine Gelegenheit ergibt. Im Netz präsentieren wir ja nur eine Facette von uns - jene, die ein jeder von uns mit dem Medium Internet zu präsentieren willens und in der Lage ist. Der Rest ist Interpretationssache. Es ist eine ungeheure Bereicherung zu wissen, dass wir mit Menschen so viel teilen können, die wir ohne das Internet gar nie kennen gelernt hätten - weil sie 600 Kilometer weit wegwohnen.

Ich schicke ein ganzes Haus voller Dankbarkeit nach Wien.

9
Apr
2011

Wir fliegen!

Es ist genau das richtige Wetter, um halb nackt durch die Strassen zu gehen. Man sollte dabei den Walkman im Ohr haben und schamlos die Melodie in seinem Ohr mitsingen!

Morgen fliegen wir nach Wien! Den Freunden dort schicke ich schon eine kleine Übersetzungs-Ubung voraus ;)

3
Apr
2011

14 Helfer in der Not

Ich lebe bekanntlich im Land meiner Vorfahren. Dennoch überrascht mich zuweilen die Erkenntnis, wie wenig ich über deren Vorstellungswelt weiss. So auch gestern. Ich machte in einer Kapelle Halt, an der ich mehrere Hundertmal mit dem Zug vorbeigefahren bin. Der Ort heisst Adelwil*. Die Kapelle ist klein. Aber innen enthält sie den geistigen Kosmos des ländlichen Frühbarock. Der ist zuweilen ziemlich skurril, wie ich feststellte.

Augenfällig sind zum Beispiel die 15 lieblichen Köpfe, die rund um die Jungfrau Maria gruppiert zu den Bänken blicken. Es sind die 14 Nothelfer, 14 Heilige für alle Lebenslagen. Der 15. im Bunde ist der Heilige Magnus:


Dieses Bild (nicht aus Adelwil, sondern aus dem Bistum Augsburg) deutet schon an, in welchen Lebenslagen man Magnus um Hilfe bat: Er galt als Patron gegen Ungeziefer. Nicht primär gegen Drachen natürlich, sondern insbesondere gegen Raupen,- Mäuse- und Engerlingsplagen.

Einer der 14 Nothelferr ist Sankt Pantaleon. Er ist der Schutzpatron der Ärzte.


(Quelle ist hier ein spanisches Forum namens Evangelizafuerte). Auf diesem Bild hält er ein Kreuz und einen Salbenbehälter in der Hand. In der Kapelle von Adelwil ist das Kreuz durch ein Uringlas ersetzt.

Die heilige Katharina hilft Menschen mit Sprachschwierigkeiten.


(Dieses Bild ist von Caravaggio)

Und die heilige Barbara bei Frauenleiden (dass sie auch die Schutzpatronin der Tunnelbauer ist, wusste ich bereits). Und so weiter.

Wann die hübschen Köpfe in Adelwil entstanden, ist nicht ganz klar. Das meiste in der Kapelle stammt aus der Zeit zwischen 1624 und 1634. Was bin ich froh, dass es zur selben Zeit in anderen Weltgegenden Männer gab, die weniger am Himmel als an der Erde interessiert waren. Sie sorgten dafür, dass es heute Ärzte gibt, die mit dem Uringlas in der Hand nicht zum Heiligen Pantaleon beten müssen. Dass wir die Chemie haben, wenn uns Läuse plagen. Und Logopäden, statt Heiligenbilder und Pfaffen.

Dafür gibt es leider auch keinen Heiligen gegen Atomkatastrophen.

* Für mehr Informationen: Judith Rickenbach: "Zeitspuren", Comenius Verlag, Hitzkirch, 2001.
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