15
Aug
2010

Tinnitus

Auf meinen Sonntagmorgenspaziergängen höre ich gelegentlich Radio 3fach. Das ist ein "nicht-kommerzieller" Lokalsender für junge Leute. Ich mag den Sound, der dort läuft. Trotzdem wird mir immer wieder klar, dass ich längst nicht mehr zum Zielpublikum gehöre. Etwa, wenn ich es geschmacklos finde, dass die Sendung um 11 Uhr Tinnitus heisst.

Für mich bedeutet Tinnitus das hier.
Und das hier.
Und das hier.

Das hier kann man zur Zeit auf Radio 3fach hören.

13
Aug
2010

Taggedröhn, Nachtgedröhn

Am Sonntagabend stürzte mein besseres Ohr ab. Ein kleiner Absturz am Abend ist an sich nichts Aussergewöhnliches. Ich höre dann die Autos draussen nicht mehr motoren, nur noch surren. Und in meinem rechten Ohr dröhnt und saust eine Staubsauger-Sinfonie. Ich habe gelernt, an solchen Abenden meine Kräfte zusammen zu nehmen und auf den nächsten Morgen zu vertrauen. Normalerweise höre ich am Morgen wieder gut.

Aber als ich zu Bett ging, merkte ich: Das ist so schlimm, dass ich über Nacht nicht damit fertigwerde. Ich würde am Montag mit angetäubtem Ohr zur Arbeit gehen müssen.

Da wurde mir klar, wie sehr ich dieser Krankheit ausgeliefert bin. Was für im Grunde hilflose Partner der Optimismus und der Wille gesund zu sein mir sind.

Es ist schwierig, sich damit abzufinden, dass man taub wird.

Es ist auch schwierig, sich damit abzufinden, dass es auf- und abgeht mit dem Gehör.

Ich kann es immer noch nicht. Und das Verrückte ist: Nach ein paar guten Wochen muss ich es jeweils wieder neu zu lernen beginnen.

12
Aug
2010

Letzter Besuch

Heute muss Grossmutter Walholz ins Heim. Es war höchste Zeit. Dass so schnell ein Platz für sie da war, verdanken wir laut meiner Mutter einer guten Portion Vitamin B meines Onkels.

Gestern habe ich sie zum letzten Mal zu Hause besucht. Sie lag in ihrem Bett wie ein verletztes Vögelchen in seinem Nest. Sie ist einmal 90 Kilo schwer gewesen. Sie hatte Schuhgrösse 43. Aber jetzt war sie so klein. Sie sagte: "Ich habe geträumt, dass ich schon wieder gesund bin. Ich bin im Traum umhergegangen." Beim Abschied sagte ich: "Viel Glück morgen. Ich werde fest an Dich denken!" Aber ich bin nicht sicher, ob sie mich verstanden hat.

Dann gingen wir hinaus. Die Wiesen draussen waren zum Bersten grün. Weit oben am Hang sah ich das Wäldchen, bei dem mir mein Grossvater früher abends die Rehe gezeigt hat. "Vielleicht bin ich zum letzten Mal hier", dachte ich. Ich wollte weinen. Aber es war kein guter Moment zum Weinen. Meine Eltern waren dabei.

Wir fuhren los. Irgendwann sagte meine Mutter: "Ich sehe sie vor mir, als wärs gestern gewesen. Es war ihr 50. Geburtstag." Das muss 1970 gewesen sein. "Sie trug dieses hellblaue Kleid, und sie hatte einen Kisag-Bläser in der Hand. Sie sagte: 'Jetzt bin ich 50. Jetzt werde ich mir nicht mehr von jedem sagen lassen, was ich tun muss!'" Ich war verblüfft. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Grossmutter je ein gefügiges Huscheli gewesen ist. Mein Vater sagte: "Da blinzelten wir einander an und dachten: 'Na, gut, dann bleibt ja alles beim Alten!'"

Später stand ich am Bahnhof unserer Stadt. Es war gerade Stosszeit. Sonst finde ich das Gedränge am Bahnhof um diese Zeit nicht zum Aushalten. Aber jetzt fand ich es grossartig. Diese wachen Augen! Dieser Lärm! Dieses Leben!

11
Aug
2010

Song zur Liebesgeschichte

Endlich gibts den Song zu dieser Liebesgeschichte auf YouTube! Dazu noch in einer klingenden Live-Version, die Frau Frogg, wieder mal, schier das Hochwasser in die Tränendrüsen treibt.

10
Aug
2010

London für Bücherwürmer

Ich weiss schon: Wer etwas auf sich hält, kauft seine Bücher in London bei Foyle's. Das ist jedem freigestellt. Soll auch jeder gerne stundenlang die Charing Cross Road hinauf und hinunter durch Dutzende Buchläden stolpern. Das hat bestimmt noch niemandem geschadet. In den Seitenstrassen der Charing Cross Road gibts übrigens hübsche Antiquariate. Jedem das Seine.

Frau Frogg macht's anders. Sie kauft ihre Bücher in London bei Waterstone's. Und zwar nicht bei irgendeinem Waterstone's. Sondern in jenem riesigen Laden an der Ecke Gower Street und Torrington Place.



Waterstone's ist ja sonst keine besonders gute Adresse. Von der Buchladen-Kette gibts in jedem Bahnhof eine Filiale. Überall sind die Läden cool und gepflegt. Doch mancherorts kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, Waterstone's würde statt Bücher lieber Fleisch verkaufen: mit einem Kilopreis und möglichst ohne über etwas so Umständliches wie Titel und Autoren nachzudenken.

Aber der Laden an der Gower Street ist anders. Er ist nicht nur ein Buchladen. Er ist eine Sehenswürdigkeit. Hier kommt die Londoner Manie, alles auf der Welt zu sammeln, zu katalogisieren, auszustellen und zu verkaufen zu einem fiebrigen Höhepunkt. Ein ganzes Gestell über iberische Geschichte, "radical politics" oder eine Wand über "gender studies" gefällig? Gibts im zweiten Stock. Die "Business"-Abteilung füllt einen ganzen Flügel, die Architektur auch. Und natürlich gibts drei Gestelle voller Titel über Rockmusik, eine ganze Wand voller Reiseliteratur und ein zwei Zimmer voller Krimis. Ein Schlaraffenland für Bücherwürmer.

Und für all jene, die sich nicht so für die Details iberischer Geschichte oder radikaler Politik interessieren, gibt's dann doch noch die Fleischtische im Erdgeschoss: die drei-für-den-Preis-von-zweien-Stapel mit der gerade gängigen Ware in Fiction und Non-Fiction.

Tja. Und nun wüsstet Ihr natürlich gern, wo ich mich eingedeckt habe. Aber das erzähle ich ein andermal.
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